Regelung des Aufgriffsrechts bei Insolvenz in GmbH-Gesellschaftsverträgen

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In der vertraglichen Praxis wird im Rahmen der Konzeption von GmbH-Gesellschaftsverträgen im Falle des Übertragens von Geschäftsanteilen an Dritte, im Falle der Kündigung, der Exekution, der Insolvenz, des Todes oder des Ausschlusses eines Gesellschafters oft ein Aufgriffsrecht der verbleibenden Gesellschafter vorgesehen.

 

Im Jahre 2020 erlebten wir eine unliebsame Überraschung als das Landesgericht Ried im Innkreis als Firmenbuchgericht die Eintragung eines Gesellschaftsvertrages, welcher im Falle der exekutiven Pfändung eines Gesellschaftsanteils sowie im Falle der Insolvenz eines Gesellschafters ein Aufgriffsrecht vorsah, verweigerte. Das Landesgericht Ried im Innkreis verwies auf 2 Entscheidungen des Oberlandesgerichts Linz vom 17.08.2019, 6 R 95/19m, und vom 24.02.2020, 6 R 19/20m.

 

Begründet wurden diese Entscheidungen mit der Bestimmung des § 26 Abs 3 der Insolvenzordnung, wonach der Insolvenzverwalter an Anträge des Schuldners, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht angenommen worden seien, nicht gebunden sei. Diese Bestimmung sei auch auf in Gesellschaftsverträgen vorgesehene Aufgriffsrechte anzuwenden, sodass die Regelung eines derartigen Aufgriffsrechts im Gesellschaftsvertrag nicht zulässig sei.

 

Dem gegenüber vertrat das Oberlandesgericht Innsbruck in ständiger Rechtsprechung (5 R 288/66; 3 R 136/03d) die Auffassung, die Regelung eines Aufgriffsrechts im Falle der Konkurseröffnung eines Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag sei sehr wohl zulässig.

 

Wir hatten es demzufolge mit einer divergierenden Rechtsprechung in einzelnen Gerichtssprengeln Österreichs zu tun.

 

Glücklicherweise erfolgte schon rasch danach, nämlich mit der Entscheidung vom 16.09.2020, 6 Ob 64/20k, eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof.

 

Demnach ist die Regelung eines Aufgriffsrechts auch im Falle der exekutiven Pfändung eines Gesellschaftsanteils oder einer Insolvenz eines Gesellschafters sehr wohl zulässig und ist eine derartige Regelung nicht unter § 26 Abs 3 IO zu subsumieren.

 

Das Höchstgericht nimmt noch in einer anderen in der Vertragspraxis höchst bedeutenden Frage eine Klarstellung vor, nämlich zur Frage, inwiefern es zulässig ist, im Gesellschaftsvertrag im Falle der exekutiven Pfändung oder der Insolvenz eines Gesellschafters einen geringeren Aufgriffspreis vorzusehen als für andere Fälle des Aufgriffsrechts.

 

Demzufolge ist es laut Auffassung des OGH zulässig, einen Abschlag vom Verkehrswert bei Ausübung eines Aufgriffsrechts im Falle der exekutiven Pfändung eines Geschäftsanteils oder der Insolvenz eines Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag vorzusehen, wenn

 * der Fall der Exekution bzw. Insolvenz gleich geregelt wird wie der Fall des freiwilligen Ausscheidens sowie des Ablebens eines Gesellschafters;

 * die Reduktion des Abfindungsanspruchs nicht nur für den Fall der Exekution und Insolvenz des Gesellschafters vorgesehen ist, sondern für jede Konstellation des freiwilligen (insbesondere der Anteilsübertragung) und des unfreiwilligen Ausscheidens des Gesellschafters.

 

Dies bedeutet nunmehr für die Vertragspraxis, dass es beispielsweise zulässig ist, einen Abschlag von 20% vom Verkehrswert bei Ausübung eines Aufgriffsrechts im Gesellschaftsvertrag vorzusehen, wenn diese Abschlagsregelung sowohl bei Anteilsübertragung, Kündigung, Ausschluss und Tod eines Gesellschafters als auch im Falle der exekutiven Pfändung eines Geschäftsanteils sowie im Fall der Insolvenz des Gesellschafters zum Tragen kommt.

 

Darüber hinaus dürfte es wohl auch zulässig sein, im Gesellschaftsvertrag einen derartigen Abschlag lediglich im Falle des Ausschlusses oder Todes eines Gesellschafters vorzusehen, wenn in allen übrigen Fällen, darunter auch die exekutive Pfändung und die Insolvenz eines Gesellschafters, als Aufgriffspreis der Verkehrswert vorgesehen ist (vgl. hierzu Schopper/Walch, Aufgriffsrecht in der Insolvenz eines GmbH-Gesellschafters, NZ 2019/155, 443 und 444).

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