Bauen am Waldrand

recht fachlich

Die Vorarlberger Landesregierung hat bereits in einer Kurzinformation Nr. 4 der Abteilung für Raumplanung und Baurecht vom 14.01.1987 die Empfehlung ausgesprochen, unmittelbar am Waldrand in einer Länge eines hiebreifen Baumes keine Baulandwidmungen vorzunehmen. Ungeachtet dessen kommt es häufig vor, dass Bauanträge sich auf Bauwerke beziehen, welche unmittelbar am Waldesrand gelegen sind.

Gemäß § 4 Abs 4 des Vorarlberger Baugesetzes darf ein Baugrundstück nur so bebaut werden, dass weder das Bauwerk selbst noch Nachbargrundstücke durch Lawinen, Wasser, Vermurungen, Steinschlag, Rutschungen und dergleichen gefährdet werden.

Nach dem Motivenbericht zu § 4 des Vorarlberger Baugesetzes sind unter die eben zitierten Naturgefahren auch Gefährdungen durch Wald (Windwurf) zu zählen.

In der Praxis verlangen daher Baubehörden entweder den Nachweis, dass das geplante Bauwerk statisch dergestalt errichtet wird, dass eine Gefährdung durch Windwurf ausgeschlossen ist, oder den Abschluss einer Vereinbarung mit dem benachbarten Waldeigentümer, wonach der Bauwerber berechtigt ist, mindestens einmal jährlich die Verkehrssicherheit der angrenzenden Bäume durch einen Sachverständigen zu untersuchen und erforderlichenfalls nicht mehr verkehrssichere Bäume zu entfernen.

Wird keine derartige Vereinbarung getroffen, stellt sich die Frage der Haftung, wenn durch einen umgefallenen Baum ein benachbartes Gebäude beschädigt wird.

Gemäß § 1319 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches ist der Besitzer eines Gebäudes oder Werkes zum Ersatz verpflichtet, wenn jemand durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werkes verletzt wird und dies Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet hat.

Nach der Lehre und Rechtsprechung des OGH ist jene Bestimmung analog auch auf Schäden durch umgestürzte Bäume oder abgebrochene Äste anzuwenden.

Gemäß § 176 Abs 2 des Forstgesetzes trifft allerdings den Waldeigentümer vorbehaltlich des Bestehens eines besonderen Rechtsgrundes keine Pflicht zur Abwendung der Gefahr von Schäden, die abseits von öffentlichen Straßen und Wegen durch den Zustand des Waldes entstehen können, sie sind insbesondere nicht verpflichtet, den Zustand des Waldbodens und dessen Bewuchses so zu ändern, dass dadurch solche Gefahren abgewendet oder vermindert werden.

Nach der herrschenden Lehre und der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (13.10.2018, 9 Ob 7/18x) geht jene Bestimmung des § 176 Abs 2 des Forstgesetzes als Spezialbestimmung der Anwendung des § 1319 ABGB vor, sodass grundsätzlich kein Schadenersatzanspruch gegenüber dem Waldeigentümer geltend gemacht werden kann.

In einer früheren Entscheidung des Höchstgerichts vom 22.11.2011, 4 Ob 43/11v bejahte der OGH allerdings das Vorliegen nachbarrechtlicher Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche im Falle von Bäumen eines Waldes, von denen eine konkrete Gefahr ausging.

Zusammenfassend ergibt sich demzufolge, dass im Falle des Bestehens einer konkreten Gefährdungslage durch benachbarte Bäume eines Waldes der Eigentümer eines Gebäudes einen Unterlassungsanspruch und einen Anspruch auf Beseitigung der Gefährdung hat. Kommt der Eigentümer des Waldes trotzt entsprechender Aufforderung diesem Begehren nicht nach und kommt es in weiterer Folge zu einem Schaden durch den Umsturz eines Baumes, so dürften auch Schadenersatzansprüche zu bejahen sein.

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