Ladestationen in Wohnungseigentumsanlagen

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Laut Angaben der Statistik Austria gab es in Österreich Ende August 2021 bereits 64.415 rein elektrisch betriebene PKW, was 1,3% des gesamten PKW-Bestands in Österreich entspricht.

Von Jänner bis Ende August 2021 wurden 20.537 vollelektrische E-Autos in Österreich neu zugelassen, was einem Plus von 193,6% gegenüber August 2020 entspricht. 

Mangels ausreichender öffentlicher Ladestationen besteht für viele Halter von E-Fahrzeugen das Bedürfnis, zu Hause eine Ladestation einzurichten.

Bei Wohnungseigentümern stellt sich die Frage, welche rechtlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit eine derartige private Ladestation zu Hause eingerichtet werden kann.

Hierbei ist zu unterscheiden zwischen Einzelladestationen und Gemeinschaftsanlagen.

Will ein einzelner Wohnungseigentümer auf seinem KFZ-Abstellplatz eine Einzelladestation einrichten, so stellt dies eine Veränderung des Wohnungseigentumsobjekts dar, welche schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer beeinträchtigen kann, sodass hierfür gemäß § 16 Abs 2 WEG 2002 die Zustimmung sämtlicher anderer Wohnungseigentümer eingeholt werden muss.

Kann die Zustimmung nicht von sämtlichen anderen Wohnungseigentümern erlangt werden, so kann diese fehlende Zustimmung durch das Gericht mittels eines Antrags beim Außerstreitgericht ersetzt werden.

Die Zustimmung des Gerichts ist dann zu erteilen, wenn die geplante Änderung am Wohnungseigentumsobjekt (Einrichtung einer Einzelladestation) gemäß § 16 Abs 2 Z 1 WEG weder die Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge hat.

Da bei der Einrichtung einer Einzelladestation regelmäßig auch allgemeine Teile der Liegenschaft betroffen sind (die Wallbox ist an einer Wand zu installieren, zudem ist eine Versorgungsleitung vom Hauptverteilerzählwerkkasten zur Wallbox zu legen) muss die geplante Änderung gemäß § 16 Abs 2 Z 2 WEG zudem entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich erstmals in einer Entscheidung vom 18.12.2019, 5 Ob 173/19f, mit der Frage der Zulässigkeit der Einrichtung einer Einzelladestation durch einen Wohnungseigentümer zu beschäftigen. In jener Entscheidung vertrat das Höchstgericht die Auffassung, dass im Falle des Einrichtens einer „langsamen“ Einzelladestation (einphasiges Laden mit maximal 3,7 kW) die Verlegung der Elektroleitung samt Einrichtung einer Wallbox in einer technisch einer Steckdose vergleichbaren Ausführung als sogenannte privilegierte Verlegung einer Stromleitung samt ähnlicher Einrichtung im Sinne des § 16 Abs 2 Z 2 2. Satz WEG 2002 anzusehen sei, sodass weder die Prüfung der Verkehrsüblichkeiten noch eines wichtigen Interesses erforderlich sei.

Werde aber stattdessen eine Schnellladestation (dreiphasiges Laden mit einer Ladeleistung bis zu 22 kW) angestrebt, so sei die Privilegierung nach der eben zitierten Gesetzesstelle zu verneinen, in jenem Fall müsse der Antragsteller die Verkehrsüblichkeit oder das Vorliegen eines wichtigen Interesses nachweisen.

Mit der geplanten Wohnungseigentumsgesetznovelle, deren Begutachtungsfrist am 13.08.2021 endete und welche am 01.01.2022 in Kraft treten soll, will nunmehr der Gesetzgeber die Errichtung von Ladevorrichtungen für Elektrofahrzeuge in Wohnungseigentumseinheiten erleichtern.

Zwar ist auch fortan für die Errichtung einer Einzelladestation die Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer erforderlich; in Zukunft wird es aber genügen, wenn der einzelne Wohnungseigentümer seinen Wunsch der Errichtung einer Einzelladestation den anderen Wohnungseigentümern schriftlich mitteilt und diese innert einer Frist von 2 Monaten dem Vorhaben nicht widersprechen (sogenannte Zustimmungsfiktion).

Zudem wird die oben zitierte Judikatur nach der geplanten Novelle in Gesetzesform gegossen, wonach für sogenannte „langsame“ Einzelladestationen die generellen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme allgemeiner Teile (Übung des Verkehrs oder wichtiges Interesse) nicht geprüft werden müssen, sondern jene Voraussetzungen unwiderlegbar vermutet werden. Bei Schnellladestationen (dreiphasiges Laden mit einer Ladeleistung zwischen 7,5 und 22 kW) wird auch in Zukunft im Einzelfall zu prüfen sein, ob die geplante Maßnahme verkehrsüblich ist oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers entspricht.

Neu wird auch die Gesetzesbestimmung sein, wonach die Nutzung einer Einzelladestation dann nicht zulässig ist, wenn die Eigentümergemeinschaft dies auf der Grundlage eines darüber gefassten Beschlusses verlangt und die elektrische Versorgung der Liegenschaft durch eine Gemeinschaftsladestation gesichert ist; diese Unterlassungsverpflichtung tritt aber frühestens 5 Jahre nach Errichtung der Einzelladestation ein.

Will die Wohnungseigentümergemeinschaft eine Gemeinschaftsladestation errichten, so handelt es sich hierbei um eine außerordentliche Maßnahme im Sinne einer nützlichen Verbesserung, welche einen Mehrheitsbeschluss erfordert.

Auch hier sieht der Gesetzgeber mit der geplanten WEG-Novelle aber eine – bedeutsame – Änderung vor, welche generell für Beschlussfassungen in Wohnungseigentümergemeinschaften gelten soll. Während bisher nämlich für einen Mehrheitsbeschluss stets die Zustimmung von 50% der Miteigentumsanteile an der Liegenschaft erforderlich war, kann in Zukunft ein Mehrheitsbeschluss auch dann gefasst werden, wenn 2/3 der in der Wohnungseigentümerversammlung abgegebenen Stimmen der Maßnahme zustimmen, sofern die Mehrheit überdies zumindest 1/3 aller Miteigentumsanteile erreicht.

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