COVID-19, Betretungsverbot und Mietzinsbefreiung

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Im Zuge diverser Verordnungen gestützt auf das COVID-19-Maßnahmengesetz verhängte der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz im Rahmen von sogenannten Lock-Down-Maßnahmen auch Betretungsverbote, welche es Handels- und Dienstleistungsunternehmen verunmöglichte, ihre Waren zu veräußern und ihre Dienstleistungen vor Ort anzubieten.

Wenn es sich bei jenen Handels- und Dienstleistungsunternehmen um Mieter von Geschäftsräumlichkeiten handelt, stellt sich die Frage, ob sie ungeachtet dessen verpflichtet sind, den Mietzins einschließlich Betriebskosten an den Vermieter während der Dauer des Betretungsverbotes zu bezahlen.

Gemäß § 1104 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) ist ein Mieter dann, wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, also Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge oder wegen gänzlichen Misswachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, nicht verpflichtet, den Miet- oder Pachtzins zu entrichten.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in einer Entscheidung vom 21.10.2021, 3 Ob 78/21y, die Auffassung vertreten, bei der COVID-19-Pandemie handle es sich um eine Seuche im Sinn des § 1104 ABGB, sodass bei einem hoheitlich angeordneten Betretungsverbot der Mieter vollständig von der Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses befreit sei.

 

Das bloße Belassen des Inventars in den Geschäftsräumlichkeiten stelle keine „Nutzung“ des Bestandsobjekts zum vertraglich vereinbarten Geschäftszweck – im vorliegenden Fall diente die Geschäftsräumlichkeit dem Betreiben eines Sonnenstudios – dar.

 

In zwei Folgeentscheidungen, nämlich vom 25.11.2021, 3 Ob 184/21m, und vom 23.12.2021, 5 Ob 92/21b, bestätigte das Höchstgericht diese Rechtsauffassung. Wenn der bedungene Gebrauch des Bestandsobjektes durch Kundenverkehr gekennzeichnet sei, so führe ein Betretungsverbot aus Anlass der COVID-19-Pandemie in der Regel zur gänzlichen Unbenutzbarkeit des Bestandobjekts im Sinne des § 1104 ABGB.

 

In den beiden letztgenannten Entscheidungen wies der OGH auch zutreffend darauf hin, dass der Bestandnehmer nicht verpflichtet sei, während des Lockdowns gewährte staatliche Unterstützungen wie den Fixkostenzuschuss an den Bestandgeber herauszugeben. Der Mieter sei vielmehr im Rahmen seiner Schadensminderungsobliegenheit gegenüber der Republik Österreich verpflichtet, ihm zustehende Mietzinsminderungen geltend zu machen und mit dem Fixkostenzuschuss nur effektiv gezahlte Mietzinse zu decken; wenn er dies unterlasse, so könne eine Rückzahlungspflicht gegenüber der COFAG bestehen.

 

Wird durch die COVID-19-Pandemie die vertragsmäßige charakteristische Nutzung des Mietgegenstands hingegen nur eingeschränkt, so kommt es gemäß § 1105 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches zu einer Mietzinsminderung im Umfang der Gebrauchsbeeinträchtigung. Derartige Fälle können etwa bestehen, indem ein Handelsbetrieb einen Online-Handel oder einen Abholservice etabliert. Die Mietzinsminderung hat in jenem Fall nach der sogenannten relativen Berechnungsmethode zu erfolgen, indem der Bestandzins, der ohne Mangel zu erzielen ist, dem Bestandzins für das Bestandsobjekt mit Mangel gegenüberzustellen ist; entscheidendes Kriterium bildet dabei nach zutreffender Auffassung (vergleiche Prader in Zak 2021/150, 84) nicht der Umsatzrückgang, sondern das Verhältnis zwischen ursprünglicher Belegung und verbleibender Belegbarkeit des Mietgegenstands.

 

Zu beachten ist, dass die Bestimmung des § 1104 ABGB – sieht man vom Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (§ 7 MRG) ab – grundsätzlich abbedungen werden kann – sollte allerdings mieterseitig das Recht auf Mietzinsbefreiung formularvertraglich vorgegeben werden, so könnte jene Bestimmung gröblich benachteiligend und damit nichtig im Sinn des § 879 Abs 3 des ABGB sein (vergleiche Vonkilch, wobl 2022/20, 108).

 

Abschließend sei darauf aufmerksam gemacht, dass Rückforderungsansprüche wegen zu Unrecht bezahlten Mietzinses nach der neueren Judikatur (analog §1486 Z 4 ABGB) innert dreier Jahre verjähren.

 

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