Das formwirksame (fremdhändige) Testament

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Mit dem Erbrechtsänderungsgesetz 2015, welches für Testamente zur Anwendung kommt, die nach dem 31.12.2016 errichtet wurden, hat der Gesetzgeber zahlreiche Verschärfungen der notwendigen Form eines fremdhändigen Testaments vorgenommen mit dem Ziel, die Fälschungssicherheit zu erhöhen.

Im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2017 sind nachstehende ergänzende Formerfordernisse hinzugetreten:

  • Der Zusatz, dass die Urkunde den letzten Willen des Testators enthält („Dies ist mein letzter Wille.“ – sogenannte nuncupatio) muss vom Verfügenden eigenhändig geschrieben sein.
  • Die drei Zeugen des Testaments müssen gleichzeitig anwesend sein (vormals genügte es, wenn zwei Zeugen beim Testiervorgang anwesend waren).
  • Die Identität der Zeugen muss aus der Urkunde hervorgehen.
  • Der Zusatz der Zeugen, dass sie als Testamentszeugen beim Testiervorgang anwesend waren, muss handschriftlich unterfertigt sein.

Ausgehend von diesem verschärften Formerfordernissen kam es in den letzten Jahren zu einer Reihe von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, in welchen diverse Klarstellungen erfolgten.

  • So stellte der Oberste Gerichtshof in einer Entscheidung vom 06.05.2021, 2 Ob 86/21t, klar, dass die Angabe des Geburtsdatums oder der Privatadresse der Testamentszeugen zur Darlegung der Identität der Testamentszeugen nicht zwingend erforderlich sei. Im konkreten Fall fungierten als Testamentszeugen der Notar, welcher das Testament auch verfasst hatte, sowie zwei seiner Angestellten und war deren Beruf (Notar bzw Notariatsangestellte) sowie die Adresse des Notars bei den drei Testamentszeugen angeführt. Der OGH vertrat die Auffassung, dass dadurch die Testamentszeugen ausreichend identifiziert waren. Der OGH sah im Übrigen kein Problem darin, dass der Testamentsverfasser selber auch als Zeuge fungierte. Aus den einschlägigen Materialen zur Regierungsvorlage des ErbRÄG ergibt sich aber jedenfalls als Empfehlung, dass neben dem Vor- und Familiennamen der Testamentszeugen entweder deren Geburtsdatum oder deren Adresse (am Besten beides) anzuführen ist.
  • In zwei anderen aktuellen Entscheidungen, nämlich vom 07. April 2020, 2 Ob 35/20s, und vom 29. Juni 2020, 2 Ob 12/20h, stellte das Höchstgericht klar, dass der auf die Zeugeneigenschaft hinweisende Zusatz „als Testamentszeuge“ zwingend eigenhändig von den Zeugen geschrieben werden muss, widrigenfalls das Testament gemäß § 601 ABGB ungültig sei.
  • Eine Vielzahl von Entscheidungen des Höchstgerichts in jüngerer Zeit beschäftigten sich mit der Frage, ob ein Testament, welches aus mehreren – losen – Blättern besteht, formwirksam ist. Bereits in einer ersten Entscheidung vom 26. Juni 2018, 2 Ob 192/17z, stellte der OGH klar, dass ein Testament, bei welchem die einzelnen Blätter lediglich mit Büroklammern zusammengeheftet sind, nicht rechtswirksam zustande gekommen ist (der Fall betraf die Rechtslage vor dem Erbrechtsänderungsgesetz – vergleiche zu einem ähnlich gelagerten Fall auch 2 Ob 188/20s). Auch das nachträgliche Einscannen in der Anwaltskanzlei und die sichere Verwahrung des Testaments im Tresor begründe die Urkundeneinheit nicht. In einer Entscheidung vom 28.11.2019, 2 Ob 143/19x, vertrat der OGH die Auffassung, dass das Verwahren eines Testaments mit mehreren losen Blättern unabhängig davon, ob das Verwahren in einem offenen oder geschlossenen Kuvert erfolge, die Urkundeneinheit nicht begründe und das Testament damit formunwirksam sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass auf den einzelnen Blättern eine Seitenangabe mit Bezug auf den Gesamtumfang der Verfügung („Seite 3 von 3“) enthalten sei. Auch die Verbindung der einzelnen losen Blätter mit einer bloßen Heftklammer genügt nach Auffassung des Höchstgerichts nicht, um ein formwirksames Testament herzustellen (2 Ob 51/20v; 2 Ob 143/20y). Schließlich genügt auch der Verweis auf dem zweiten Blatt eines Testaments, wonach der Testator in gleichzeitiger und ununterbrochener Anwesenheit den „vorstehenden Zusatz“ geschrieben habe laut Auffassung des Höchstgerichts nicht, um dem Grundsatz der Urkundeneinheit Genüge zu tun (2 Ob 145/19s). In gleich drei Entscheidungen beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, wann das Zusammenbinden der losen Blätter zu erfolgen habe, um dem Grundsatz der äußeren Urkundeneinheit zu entsprechen. In einer ersten Entscheidung vom 30. Jänner 2020, 2 Ob 218/19a, vertrat das Höchstgericht die Auffassung, die Unterfertigung des Testaments durch den Testator und die Zeugen am Wohnort des Verfügenden, die anschließende Fahrt des Notars zurück zu seinem Berufssitz und das anschließende Binden der beiden losen Blätter zu einem einheitlichen Testament im Sekretariat des Notars stelle den Grundsatz der äußeren Urkundeneinheit nicht her, weil die Verbindung der losen Blätter spätestens „während des Testiervorgangs“ erfolgen hätte müssen. In zwei jüngeren Entscheidungen vom 27. November 2020, 2 Ob 141/20d, und vom 29. April 2021, 2 Ob 4/21h, stellte das Höchstgericht aber klar, dass das unmittelbare Binden der beiden losen Blätter oder das Versehen mit einer Klebeetikette nach Unterfertigung des Testaments durch den Verfügenden und die Zeugen dann genüge, wenn sowohl die Testamentsunterfertigung als auch das Binden in der Kanzlei des Rechtsanwalts bzw Notars erfolge. Hier werde die äußere Urkundeneinheit unmittelbar nach dem Leisten der Unterschriften hergestellt, was genüge, und zwar unabhängig davon, ob der Erblasser selber zum Zeitpunkt des Bindens noch in der Kanzlei zugegen war oder nicht.

Sämtliche gerade referierten Entscheidungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der OGH vertritt die Auffassung, dass im Falle eines Testaments, welches aus mehreren losen Blätter besteht, entweder die sogenannte äußere oder die sogenannte innere Urkundeneinheit herzustellen sei.

Die äußere Urkundeneinheit kann hergestellt werden, wenn die einzelnen losen Blätter so miteinander verbunden werden, dass die Verbindung nur mit Zerstörung oder Beschädigung der Urkunde gelöst werden kann (zum Beispiel durch Binden, Kleben oder Nähen der Urkundenteile).

Dem Erfordernis der inneren Urkundeneinheit wird dadurch entsprochen, wenn entweder der Text des Testaments auf den Folgeblättern dergestalt fortgesetzt wird, dass ein inhaltlicher Zusammenhang besteht, oder wenn auf den Folgeblättern vom Verfügenden eine Bezugnahme auf die vorangehenden Blätter erfolgt, wobei diese Bezugnahme inhaltlicher Natur sein muss.

In unserer Kanzlei trat die Problematik der Gefahr des Fehlens der Urkundeneinheit im Falle des Vorliegens eines Testaments mit mehreren losen Blättern von vornherein nicht auf, weil bei uns seit jeher die losen Blätter bereits vor Unterfertigung des Testaments gebunden werden. Neuerdings drucken wir längere Testamente auf einem A3-Blatt aus und falten dieses dann zu einem Bogen, sodass effektiv vier Seiten für das Testament zur Verfügung gestellt werden. Damit wird von Vorherein dem Grundsatz der äußeren Urkundeneinheit entsprochen.

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